Riesiger Mund als Kopf vor gelbem Hintergrund.

Werbung-willkürlicher Wahnsinn!

Saskias Aufreger des Monats

Mein Morgen startete damit, dass ich den Katzen der Nachbarn ihr Frühstück servierte. Dort lächelte mich im Badezimmer eine Waage an. Ich stellte mich drauf. Fataler Fehler. Statt die Zahl der Kilos einfach nur anzuzeigen schrie eine mechanische Stimme „Zwei-und-siebzig-komma-fünf-Kilogramm“. Woah. Erschüttert stieg ich von der Waage, um mich fünf Sekunden später erneut darauf zu stellen und mir das gleiche nochmal anzuhören.

Naja, und was ist daran so schlimm?

Gute Frage. Nichts eigentlich. Es ist nur eine Zahl. Das meine Hosen etwas enger saßen war mir nicht entgangen. Aber zu hören, dass ich fünf Kilo zugenommen hatte, traf mich unerwartet hart. Ich zweifelte. An mir. Meinem Aussehen. Meinen Fähigkeiten. Mein Wohlbefinden sank stetig tiefer und meine Selbstzweifel schossen proportional dazu in die Höhe. Aber warum? Mein Wert und mein Gewicht stehen doch in keinem Abhängigkeitsverhältnis, dachte ich.

Abends daddelte ich auf Instagram, während die Katzen genüsslich ihr Abend-Futter verschlangen. Mir begegnete folgende Werbeanzeige. Eine schlanke, brünette Frau, rasierte Beine, strahlend weiße Zähne in einem perfekt aufeinander abgestimmten Outfit, versuchte mir einen Sahnejoghurt schmackhaft zu machen. What the fuck? Als ob alle Menschen, derart gestylt und glücklich ihren Joghurt essen.

Mir ging ein Licht auf.

Zwar weiß gefühlt jede Person schon lange, dass Werbung uns, oft unbewusst, beeinflusst und prägt. Aber mal im ernst? Was für ein Bild versucht die Werbeindustrie uns zu vermitteln? Und was macht das mit uns, unseren Ansichten und unserer Wahrnehmung von Körpern und Schönheit? Ich frage mich, ob meine Selbstzweifel daher rühren, dass mir suggeriert wird, dass ein gesunder Körper schlank sein müsse. Dass Menschen jeden Alters immer und zu jeder Jahreszeit die perfekte Bikinifigur haben müssen. Bikinifigur, was ist das überhaupt? Jeder Körper passt in einen Bikini. Ganz ähnlich drückt es Clémentine Desseaux, Plussizemodel aus Frankreich, in einer Dokumentation auf Arte aus.

Es regt mich auf, dass ich mich selbst noch immer von diesen unfassbar einseitig und längst veralteten Maßstäben beeinflussen lasse. Dabei weiß ich doch, dass ein paar Kilogramm mehr oder weniger einen Menschen nicht weniger attraktiv, wertvoll oder wichtig werden lassen.

Trotzdem übernahmen meine Selbstzweifel das Ruder und ich fühlte mich minderwertig und anders, weil ich nicht „die perfekte Figur“ habe, nicht „der Norm“ entspreche. Nicht derart glücklich und zufrieden bin, wie diese Person, die so unbekümmert ihren Sahnejoghurt verspeist.

Danke Werbung, danke dafür!

Schämen solltest du dich. Dafür, dass Menschen sich an deinen Maßstäben messen, sich vergleichen und an sich zweifeln. Dafür, dass du suggerierst, es gäbe nur Menschen mit Kleidergröße 32 und alles ist immer „happy family“.

Wo allerdings werden Menschen repräsentiert, deren Alltag anders aussieht? Die eben auch anders aussehen als die Models in der Werbung. Wo bleibt die Diversität? Habt ihr schonmal einen Menschen mit Selbstzweifeln und Unsicherheiten in der Werbung gesehen? Nee. Ach ja doch. Wenn für Schlaftees geworben wird.

Schade eigentlich. Denn Menschen sind so unfassbar vielfältig. Genau wie ihre Körper und deren Innenleben. Das wäre doch interessant, dies auch in der Werbung zu zeigen. Doch stattdessen sehen wir nur vermeintlich glückliche Menschen in Werbeanzeigen, mit den unrealistischen Maßen 90/60/90. Es folgt ein Vergleich.

Meine Realität versus Werberealitiät.

Crash. Krise. Minderwertigkeit. Der Körper bietet dem kapitalistischen Markt eine wunderbare Angriffsfläche. Denn nur, wenn sich Menschen stetig optimieren wollen werden Beautyprodukte besser verkauft.

Eine Studie in den USA (2013) hat herausgefunden, dass die Werberate für Kosmetik montags höher ist als die restliche Woche, da Frauen sich zum Wochenbeginn verletzlicher und weniger attraktiv fühlen und somit anfälliger für (unsinnige) Werbekäufe sind.[1]

Merke: Mit zufriedenen Frauen lässt sich kein Geld verdienen.

Dabei ist eine gesunde Beziehung zu sich selbst und zum eigenen Körper doch das, was einen stabilen Selbstwert unterstützt und somit grundlegend für eine individuelle Wahrnehmung von Schönheit. Welche wiederrum eigene, interesseorientierte Kaufentscheidungen fördert. Davon allerdings will die Werbeindustrie nichts wissen, da der Gedanke nicht konsumorientiert ist. Was also tun? Wie das ganze angehen? Und wo soll zwischen all dem noch „ich selbst“ stecken?

So viele Fragen und so viel Veränderungsbedarf. Doch bislang gibt es keine zufriedenstellenden Antworten darauf. Zumindest für mich nicht. Außer der erneuten Erkenntnis, dass Werbung meist auf einseitige Perspektiven und stereotype Bilder zurückgreift, um Dinge und Körper erfolgsorientiert zu vermarkten.

Und die Moral von der Geschicht?

Werbung ist nicht das, was sie verspricht. Also bitte bitte bitte glaubt nicht stets, was ihr dort seht und vergleicht euch damit.

Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, sich kritisch mit bestehenden Schönheitsidealen und Werbung auseinanderzusetzen und sie zu hinterfragen. Vor allem, um sich mit sich selbst wohlfühlen zu können. Denn jeder Körper ist auf seine ganz individuelle Weise perfekt!

Weiterführende Literatur:


[1] New Beauty Study Reveals Days, Times And Occasions When U.S. Women Feel Least Attractive

Fotocredit: Motiv: Aufgerissener Mund, ©shutterstock/tryam

2 Kommentare zu „Werbung-willkürlicher Wahnsinn!“

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