Smilla (über)lebt im seelischen Ungleichgewicht. – Ein Gespräch über Reizüberflutung, Körpergefühl und warum wir mitfühlender mit uns selbst umgehen sollten.
Vor mehr als 10 Jahren meldeten Krankenkassen und Fachleute bereits einen signifikanten Anstieg psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen. Die Entwicklung können wir aktuellen Gesundheitsreporten über gemeldete Krankheitsfehltage aufgrund psychiatrischer Diagnosen entnehmen – Tendenz weiterhin steigend. Neben depressiven Episoden, spielen insbesondere Belastungsreaktionen, andere neurotische und Angststörungen, sowie somatoforme Erkrankungen eine wachsende Rolle.
Was hat sich innerhalb der Generation verändert? Sie steht zwischen Zukunftsängsten, Alltagsüberforderung und Selbstüberschätzung – berichten Schlagzeilen aus der Presse. Unsere Redakteurin Smilla hat in sich hinein gehorcht und Betroffenen zum Thema eine Stimme gegeben. Das Ergebnis eine Art Aufruf zu mehr Selbstfürsorge von Körper und Geist.
Smilla: Emotional stabil zu bleiben erscheint heutzutage schwerer als in Generationen davor. Worin liegt unsere Herausforderung?
Kopf: Dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll, spricht wohl für sich. Im Zeitalter von Digital Natives komme ich mir vor, wie eine etwas eigenständigere Version eines PCs mit Betriebssystem von 1995. Ich muss den Umgang mit sämtlichen deiner gesammelten Daten erlernen. Ständig neue Updates fahren. Mein Filter ist nicht ausreichend trainiert für die Informationswellen, die dich regelmäßig von überall überfluten.
„Die Verbindung zu meinem Körper ist die Wertvollste, die ich habe. Ohne sie existiere ich nur.“
Smilla: Aber was du aus den Informationen machst, ist doch entscheidend für mein Outcome. Wie kann ich funktionieren, wenn du ständig überlastet bist?
Kopf: So einfach strukturiert bist du nicht. Ich arbeite doch nicht allein. Die Verbindung zu deinem Körper ist die wertvollste, die ich habe. Ohne sie existierst du nur.
Kleine Alltagshelfer
Ertappst du dich auch häufig bei Grübeleien und verlierst wie Smilla mal das Gefühl für dich selbst? Oder denkst du manchmal, dass eine Powerbank gerade genau das Richtige für dich wäre? Dann sollte Selbstfürsorge auch auf deiner „To Do“-List sehr weit oben stehen! Wir, von @locating.your.soul, haben uns zusammengeslackt und kleine Alltagshelfer gesammelt, mit denen du dir täglich etwas Gutes tun kannst – das Ergebnis sind 10 Ideen, mit denen du Körper und Geist jeden Tag etwas Gutes tun kannst.
Smilla: Du hast vorhin an Datenüberflutung gedacht. Eine fehlende Körperbindung spräche eher für ein Informationsdefizit. Liegt die Schwierigkeit jetzt an einem Defekt in mir selbst?
Kopf: Bevor du versuchst mit der ganzen Welt klarzukommen, musst du erst lernen dich selbst zu verstehen. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, alles was du tust, (an dir) siehst oder spürst, erzählt etwas über dich.
Smilla: Das klingt nach schwerer Lektüre. Mein Körper hat kein Sprechorgan. Du redest ja die ganze Zeit.
Kopf: Hat er nicht. Aber ´ne Menge andere Organe, die können dir alle was erzählen. Bauch, Herz, Augen, Ohren, Haut – um nur einige zu nennen. Höre nur mal einen Moment hin. Was merkst du gerade?
Körper: Tränen, Zittern, Wärme, Krämpfe, Pochen. Musik, Fernseher, Gemurmel, Zwitschern. Jucken. Pollen fliegen. Grelles Licht. Brennen in der Kehle. Trockener Mund.
Smilla: Arbeit, Wohnung, Freunde, Familie, Hobbies. Dazu ein Dutzend Themen, die uns über soziale Netzwerke erreichen. Du denkst ganz schön viel.
Kopf: Wir denken viel. Mein Job ist es, alle Daten, die der Körper aufnimmt, zuzuordnen und zu interpretieren. Zu bewerten oder auszusortieren. Manche Infos brauche ich eigentlich gar nicht.
Smilla: Meine Ansprüche an dich sind ziemlich hoch. Wie soll sich unsere Zusammenarbeit verbessern? Wie kann ich dich weniger überfordern?
Kopf: Zunächst kannst du das, was ich denke, einfach mal annehmen. Ich arbeite für und nicht gegen dich. Dein Körper genauso. Gefühle kommen und andere gehen.
Buchempfehlung
An Unzulänglichkeiten und der eigenen Person rumnörgeln, beschreibt Andreas Knuf als „Volksleiden Nummer 1“ und auch er selbst bleibt davon nicht immer verschont. In seinem Buch „Sei nicht so hart zu dir selbst. Selbstmitgefühl in guten und miesen Zeiten“ führt uns der Psychotherapeut und Autor durch Fragen und Übungen zum Thema Selbstmitgefühl und Achtsamkeit und zeigt uns, wie wir diese durch feine Routinen in unserem Alltag kultivieren können. Eine praktische und lösungsorientierte Anleitung, die uns das Leben offener und entspannter angehen lässt.
Smilla: Das Internet ist voll mit solch allgemeingeltenden Floskeln und Ratschlägen. Wie kann ICH mit all dem umgehen?
Kopf: Eine Zauberformel, fürchte ich, gibt es nicht. Reagiere auf uns. Oder frag nach. Lache wenn du fröhlich bist oder weine mal, falls nicht. Wenn dein Bauch morgens krampft, lass mich über Job- oder Ortswechsel nachdenken. Wenn du Luft brauchst, geh raus. Schalt dein Handy aus, wenn du Ruhe willst. Wenn dein Hals trocken ist, trink Wasser, wenn dein Magen knurrt iss. Gönn‘ dir ´nen richtig geilen Kaffee, Burger und Eis. Lad‘ deinen Akku auf. Sorge für Körper UND Geist.
Smilla: Puh… Das ist viel, worauf ich achten muss. Meinst du denn, dass ich das schaffen kann?
Kopf: Klar kannst du das. Musst du sogar. Wir lernen ständig und gemeinsam dazu. Entwickeln durch hinsehen, zuhören oder nachspüren unser persönliches Antivirenprogramm. Dein Kopf, dein Körper – gemeinsam leben wir als du.
Fotocredit: Motiv: Body & Mind Grafik ©Carla