Ukraine-unser Zuhause

Ukraine unser Zuhause Schrift auf blaugelben Grund und eine Friedenstaube

…Nach 600 Tagen Krieg

Hinweis und Triggerwarnung: In diesem Text werden Ereignisse des Krieges, Tod, Vergewaltigung, Gewalt, Deportation, Verlust und Traumata detailliert beschrieben. Wenn du dich zum aktuellen Zeitpunkt besonders unwohl fühlst, dich mit diesen Themen zu beschäftigen, bleibe fürsorglich für dich selbst und lese den Text zu einem anderen Zeitpunkt! Am Ende des Textes sind Hilfsangebote verzeichnet!

Über meine Arbeit mit Menschen, die ihr Zuhause verloren haben

Vermutlich ist dies der für mich emotionalste Text, den ich je veröffentlicht habe. Und vermutlich weine ich beim Schreiben auch sehr viel. Doch es bleibt unausweichlich, das abzubilden und zu erzählen, was ausgesprochen werden muss. Ich möchte hier meine Stimme geben, für das Leid und auch die Hoffnung, welche Ukrainer*innen beide noch immer in sich tragen. Durch meine Arbeit möchte ich ein Teil der Hoffnung sein, die dieses Licht in unseren Herzen nicht auslöschen lässt. Das letzte Licht der Ukraine, unseres Zuhauses.

Ich selbst bin in Polen aufgewachsen, in einer ukrainischstämmigen Familie. Lwiw [dt. Lemberg] ist eine zauberhafte Stadt in der Westukraine, in der ein Teil meiner Familie lebte. Über Identitätskrisen reden wir heute nicht.

Auf den Bildern bereiten wir gerade mit einer wundervollen Frau Wareniki zu, ein traditionelles Gericht in der slawischen Küche. Auf Polnisch „Pierogi“. Rita, die auch aus Lwiw stammte und bei uns wohnte, machte die allerbesten. Wareniki, Pfannkuchen und die ukrainische Sprache lernte ich damals von ihr.

Rückblick 24.02.2022.
Es ist der 24.02.2022. Ich bin zu dem Zeitpunkt 18 Jahre alt. Und das genau zur richtigen Zeit.
Ich wache auf, mein Gesicht scheint, als ob es schmilzt von dem Schock, nachdem ich von dem russischen Angriff auf die Ukraine lese. Es lässt eine Sprachlosigkeit zurück, Wut, Angst, Hilflosigkeit, für die sich kaum Ausdrucksmöglichkeit finden lässt. Nicht am heutigen Tag, nicht anderthalb Jahre später.
Die ersten Menschen flüchten sofort. Einige, die die Möglichkeit noch haben, mit ihren Autos. Auch nach Deutschland kamen bis August 2023 über eine Million Schutzsuchende. 30% davon sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren*. Unsere Familienangehörigen fanden Schutz bei uns in Polen. Männer dürfen zu einem Großteil das Land nicht verlassen, daher treffen wir nur wenige an. Mein Freund schaffte es glücklicherweise zu fliehen. Er war 19 und hätte bleiben müssen, doch er rettete sich, seine Mutter und seinen kleinen Bruder.
Viele alte Menschen sind zu schwach für eine solch kraftraubende Fahrt und entscheiden sich daher oft dazu, im Kriegsgebiet zu bleiben. Auch, weil sie ihr Zuhause beschützen wollen. Allerhöchstens begeben sie sich in Gebiete, die weniger betroffen von Angriffen sind. Oder seltener. Wenn du zehn Minuten Zeit hast, um deine Sachen zu packen fühlst du nichts Anderes mehr als die Absicht zu überleben und so schnell wie möglich wegzukommen. Der Rest in dir friert ein. Aber die Sorgen, die sind auch beständig. 100000000 Fragen.

Ich muss etwas tun!
Ich packte einen Rucksack und von diesem Tag an verbrachte ich fast nur noch Zeit in Ankunftszentren für Geflüchtete. Der Einstieg war nicht leicht für mich, denn die ukrainische und russische Sprache musste ich zunächst erst wieder in mir aufwecken. Meine Muttersprache war eigentlich Polnisch. Auch, dass ich dafür die Schule schwänzen musste, kurz vor meinem Abitur, verlor plötzlich an Wichtigkeit.
So sieht Akutversorgung Geflüchteter und Krisenhilfe aus
Es werden Viele Bilder geteilt von helfenden Menschen und derer, die die Hilfe benötigen. Die Politik und die Gesellschaft freuen sich über engagierte Leute, die “irgendwas” tun, um Geflüchteten zu helfen. Aber welche Arbeit wirklich hinter “irgendwas” steht, bleibt oft ungesehen und kaum repräsentiert. So rennen sie den (vermeintlich) Schuldigen hinterher, wir bleiben bei den Opfern.


In Zelten, die notgedrungen am Eingang des Bahnhofes aufgestellt wurden, waren Schlafplätze für gerade mal 15 Personen gegeben. Bei einem durchschnittlichen Eintreffen von ca. 300 Schutzsuchenden täglich. Die Betten dienten ausschließlich einer kurzfristigen Erholung von drei Stunden. Danach sollte eine Weiterfahrt in langfristigere Unterkünfte in ganz Deutschland von uns organisiert werden (Stand Frühjahr 2022). Im Speiseraum gab es zumindest mehr Sitzmöglichkeiten, jedoch keine Rückzugsorte. Später arbeitete ich in anderen Notunterkünften, in denen sich da schon etwas getan hatte. Es war ein stressvolles Drängen und ein großes Chaos, in dem wir uns behüten die Familien und Alleinreisenden (unter anderem Kinder) zu versorgen. Wir rannten so viel von A nach B, dass wir oft selbst nicht zum Atmen oder Trinken kamen. Einen Medizinbus, die tägliche Ausgabe von Mahlzeiten und eine Beratung über die nächsten Schritte konnten wir, grob nach einem “Irgendwie“-Konzept bieten. Mehrmals die Stunde kamen Züge aus dem ukrainisch-polnischen Grenzgebiet an. Die Ankunftszeiten schrieben wir auf eine Tafel und fingen die, zuvor von der Bahn angekündigten Menschen, am Bahnsteig auf. Diese waren meist überfüllt und panische Gesichter liefen uns entgegen. Dank leuchtenden Westen und Ukraine- Schilder, konnten die Menschen uns erkennen. Wir brachten sie, samt Gepäck und Haustieren, in unsere Zelte. Währenddessen wurden viele Infos sehr aufgeregt ausgetauscht, es wurde geweint und gestritten. Ja, nach vier Tagen Reise ohne Essen und kaum Schlaf, voller Angst und Ungewissheit, ist man müde. Kaputt.

In einer Nacht, und das war meine erste, fand ich eine umherirrende junge Frau auf dem Bahnsteig. Sie hatte ihre Familie verloren auf dem Weg und weinte bitterlich. Ich nahm sie an die Hand und setzte mich mit ihr und einem Tee auf eine ruhige Bank, damit sie erstmal die Situation beschreiben konnte. Sie war sehr verängstigt, doch durch unser Gespräch atmete sie zunehmend ruhiger und lächelte. Und das war für den Augenblick erstmal alles Nötige. Es dauerte einige Stunden, bis wir die Familie telefonisch erreichen konnten. Ihr Zug fiel aus uns sie standen irgendwo und wussten nicht wohin. Ich erklärte ihnen, wie sie zu uns finden konnten und es dauerte nur noch weitere drei Stunden, bis wir sie am Bahnhof empfingen und sie sich in die Arme rannten. Dann umarmten wir uns alle und verabschiedeten uns. Und einige Monate später, traf ich sie wieder, in einer anderen Stadt. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Das zu hören machte mich überglücklich.
Ansonsten hatten wir täglich mit Eskalationen und Gewalttaten zu tun, meist zwischen Geflüchteten untereinander, bei denen es selbst kein Zurückschrecken davor gab, sich gegenseitig Körperteile abzutrennen und sich zu verprügeln.
Die Verteilung in sechs-er Zimmer, die sich Geflüchtete mit Fremden teilten, sorgte oft für Konfliktpotenzial. Im Umgang miteinander, aber auch mit sich selbst, durch den fehlenden Rückzug.

11. Juni 22- Helfer*innenmangel!

Die einzige Koordinatorin verabschiedet sich nach einer (mindestens) zehnstündigen Schicht ohne Pause. Ich bin heute die einzige Ehrenamtliche. Wieder. Und heute kommt keine andere Koordination mehr als Ablösung. In großem Vertrauen und mit den Worten: „Emiliya, du kennst die Abläufe hier am besten und gehörst zu unseren engagiertesten Helferinnen…du schaffst das…“ gab sie mir den Hauptschlüssel und das Diensthandy in die Hand. Der nächste Zug von der polnischen Grenze kündigt sich an. 100 Menschen. Und das jede Stunde. Doch irgendwie gelang es. Ein paar Tage später Heute erwarten wir eine Familie, die nach ihrer Deportation in das Angreiferland, flüchten konnte. Leider kamen sie nie an… Stattdessen kam eine Frau, die auf ihrer Flucht überfallen, vergewaltigt und ausgeraubt wurde. Ihr Zustand war schrecklich. Sie schaute mich nicht an, doch langsam konnten wir ein Gespräch aufbauen und versuchen, ihr Telefon zu reparieren. Mehr wollte sie in diesem Augenblick nicht. Sie konnte danach in eine Unterkunft gebracht werden. Seit 9 Uhr am Morgen rennen wir wieder durch den großen Bahnhof, in leuchtender Weste. Ich weiß, was uns erwartet. Denn einmal fuhr ich selbst mit einer ukrainischen Familie von der Ostseeküste Polens, 15 Stunden mit dem Zug nach Deutschland. Es war sehr überfüllt. Wir saßen zu viert auf zwei Sitzplätzen und in den Fußräumen. 15 Stunden waren jedoch das weniger Schlimme. Die Menschen waren sehr ängstlich. Die Frau fragte mich: „Wo fahren wir hin?“ „Erstmal nach Deutschland, Berlin“, sagte ich, „…in Sicherheit“. Sie war sehr freundlich, doch ihre Augen voller Angst und Skepsis. Sie schienen endlose Zeilen des Leides wiederzugeben. Auf der Fahrt erzählte sie alles, was sie erlebt hatten. Ihr Haus gab es nicht mehr. Sie hatte drei Kinder und musste ihrem Mann zurücklassen. An der Grenze stürmte Polizei in die Masse und trennte uns voneinander. Zum Glück konnte ich sie noch ein letztes Mal umarmen und ihr meine besten Wünsche mitgeben. Zum Nummernaustausch blieb keine Zeit, doch ich rief ihr von weitem noch zu, bis wohin sie fahren konnte. Ich würde in Berlin auf sie warten. Ich habe sie nie wiedergetroffen. Und ich suchte sie lange.

Luftangriff auf Polen 15.11.2022

Der bisher einmalige (mutmaßlich unbeabsichtigte) Raketeneinschlag in Ostpolen, hat den Kreis der Angst und der massiven Unsicherheit ausgeweitet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich Polen dann verlassen. Ich erlebte die zitternden Hände der Einwohnerinnen. Das ist eine kaum zu beschreibende akute Existenzangst, die uns in emotionale Stille verfallen ließ. Und sie war erst die Vorstufe eines Ausbruchs.
Bisher war das Kriegsgeschehen schon emotional nah gewesen, aber jetzt versetzten sich viele auch physisch in einen wachsameren Modus. Die Luft hatte sich sehr verändert in Polen. Die Energie war sehr gedrückt. Die Farben schienen zu verblassen und zu ergrauen. Meine Tante war gerade am Telefon mit meiner Oma, als die Nachricht im Fernsehen kam. Sie wurde sehr nervös und unterbrach meine Oma: „Scheiße, warte mal…wir wurden bombardiert“. Zwei Menschen starben. So ein Schock ist unbeschreiblich. Ab sofort fürchtete ich jeden Tag, es würde wieder passieren. Bis heute. Es blieb zwar die Ausnahme, doch es blieb auch so nah.


Das Zuhören, Deeskalieren und Perspektive Geben, erwies sich oft als kleine Stütze, und einige der Menschen fielen mir in die Arme bei unserem Abschied, um sich zu bedanken. Viele Kinder malten uns Bilder, die wir an unseren Wänden in der Unterkunft aufhängten. Langsam entstand hier ein Ort, der sich auflud mit der Energie des Zusammenhalts. Viele Menschen beschrieben es mir als kleines Zuhause-Gefühl. Denn abseits der Konflikte fanden sich Freundschaften und manchmal auch Familien. Wir erschufen hier gemeinsam ein neues Heimatgefühl. Auch um die ukrainische Kultur zu erhalten.

Inzwischen bin ich in einer größeren Einrichtung (hier halten sich im Durchschnitt 3000 Geflüchtete auf) und biete neben der Beratung auch Gesangsabende an, zusammen mit meiner wundervollen Kollegin. Hierher flüchteten auch Menschen aus anderen Krisen-und Kriegsgebieten. Neben dem Prozess des Ankommens erschufen wir eine kleine Welt, abseits der Krisen, um zueinander und auch langsam wieder zu sich selbst zu finden. Musik ist Heilung und schenkt Verbundenheit. Das zeigte sich hier immer wieder. In lauten und in leisen Tönen. Und auch Tänzen. Gemeinsam vor Publikum sangen wir jeden Dienstag und Sonntag Lieder verschiedener Sprachen und organisierten Veranstaltungen. Es waren so lichtvolle Begegnungen und hoffnungsspendende Augenblicke. Neben einer völlig fremden Person zu stehen und gemeinsam ukrainische Lieder zu singen. Es waren Melodien der Seele und sie passten einfach zueinander. Es konnte viel geweint werden, schmerzhaft und befreiend zugleich.

Was wir brauchen!
Dass Jeder Mensch, die Hand eines anderen Menschen hält. Ein bisschen gibt, von dem, was ersie geben kann. Und es darf auf ganz verschiedene Weise sein. Wir haben mehr Macht, als unsere Komfortzone zugibt. Wir haben unsere Stimmen. Die wir den Menschen geben können. Jeder kann seineihre Stimme geben und helfen. Ob in der Musik, in der Kunst, in Texten, auf der Bühne, im Theater, durch Kurse, Spenden, u.s.w. Und wenn jeder Mensch einem einzigen anderen Menschen auf der Welt helfen würde, dann würden so viele Fürsorge erfahren und wieder aufstehen können. Für Menschen in Sicherheit ist es leichter wegzusehen. Doch wird eines Nachts ein Säugling vor unsere Haustür gelegt, so sind wir zwar nicht schuld, doch ab diesem Zeitpunkt liegt es in unseren Händen, wie es mit ihm und der Situation weiter geht. Darüber sprachen die Schauspielerinnen in der Nachbesprechung des Theaterstücks „Ich bin es nicht. Wladimir Putin ist es gewesen!“. Wir können etwas ändern! Wir können das Geschehen lenken. Zumindest, wie es den Betroffenen ergeht. Und wir können neue Kapitel schreiben. Neue Kapitel des Lebens.
Sichtbarkeit. Solidarität. Es ist völlig klar, dass sich nicht alle für alles einsetzen können! Diesen Anspruch können wir gar nicht haben, dass jeder über alles aufklärt und alles unterstützt. Ich erlebe oft Schuldzuweisungen. In jedem von uns stecken eben individuelle Motivationen und diese treiben uns an. Und gleichzeitig ist es wichtig, nur so viel zu helfen, wie wir schaffen. Ja, auch in Krisenzeiten dürfen wir auf uns achten! Ja, es ist eine Herausforderung, diese Balance zu schaffen.

600 Tage Krieg
Wir sind müde… von der Angst. Von den Verlusten. Den Erlebnissen. Den Bildern. Von den Explosionen in den Städten und im eigenen Kopf. Vom Hoffen. Jeden Tag. Und auch ich liege nun mit Dauerkopfschmerz und nach wiederholten Zusammenbrüchen im Krankenhaus. Weil Krieg nicht greifbar für die Seele ist. Wieder vergingen so viele Monate, in denen der „Traumabrei“ in den Menschen kocht und überläuft. Ich möchte immer das Gute sehen. Und das, was schon geschaffen wurde. Doch die Heilung der Seele und die Aufarbeitung dieser Zeit finden neben dem Papierkrieg, der bei Ankunft in einem neuen Land beginnt, zu wenig Raum. Auch die Selbstfürsorge der Geflüchteten und Helferinnen gehen den Bach hinunter. Wir alle werden schwächer, weil wir in einen Überlebensmodus verfallen. In Kyjiv habe ich eine Weiterbildung gemacht für den Umgang mit akuten Kriegstraumata und für Erste Hilfe in Krisensituationen mit Kindern, Angehörigen und auch sich selbst, privat oder im Arbeitskontext. Zu beachten ist schließlich auch, dass es doch bereits vor dem Krieg schon Betroffene von psychischen Erkrankungen gab. All das wurde oder musste zurückgesteckt werden… Doch wie lange geht das gut? Zusätzlich die Erlebnisse dieser Zeit. Wir brauchen Hilfsangebote und vermehrte Achtsamkeit. Der Umgang der Ukrainerinnen mit der Situation ist so verschieden wie sie eben selbst. Mit Kindern arbeitete ich besonders gerne. Sie scheinen oft einen empathischen und tiefen Blick zu finden. Irgendwann zog ich mich aus der Dolmetscherinnenarbeit zurück, um eben selbst mit den Menschen sprechen zu können. Mit Worten, die ich selbst wählen durfte. Anstatt das zu wiederholen, was andere sagten und was nicht einmal passend oder freundlich war. Ja, ich musste Beleidigungen übersetzen und Aussagen, die ich niemals verwenden würde, in der Erste-Hilfe- Stelle, im Sozialdienst oder bei der Corona-Teststelle. Aber ich wollte im psychologischen Bereich bleiben. Die Menschen spürten schnell meine Empathie. Ich versuchte immer, einen Schritt mit ihnen aus dem Chaos auszutreten und ihnen Raum zum Aussprechen zu geben. Das hat Maria immer zu mir gesagt: „Als Heilerinnen reicht es manchmal, dass wir unseren Raum öffnen und geben. So können die Menschen langsam zu sich finden und sich heilen. Und wir können sie begleiten.“ Dieses Bild zeichnet meine Arbeit weiterhin.


Im Team bauen wir uns auch gegenseitig auf und erinnern uns oft an das unauslöschbare Licht in unseren Herzen. Durch Umarmungen, persönlichen Austausch und Post-Its an den Wänden. Aber Psycholog*in hin oder her, wir sind auch Menschen und teilweise selbst geflüchtet. Wir durchleben parallel zur Arbeit, mit Menschen, deren Geschichten der unseren ähneln, einen eigenen Prozess des Schmerzes und der Heilung.
Immer wieder liegt es mir eiskalt unter der Haut. Die Stille, wenn wieder jemand stirbt. Physisch oder seelisch. Ich zittere und friere. Es sind so eiskalte und gleichzeitig heiße Emotionen, die niemals zu erklären sind. Es war mir manchmal nicht möglich, eine Schicht einfach zu beenden, und ich blieb zehn Stunden. Es schien zu wichtig. Es fand kein Ende. Und sobald ich im Bett lag, fand mein Kopf keine Erholung, es rasten die Bilder des letzten Tages und der immer wieder hinzukommenden Nachrichten. Dies war auch ein Weg, den ich lernen musste, mit „wetterfesten“ Schuhen zu gehen.
Und ich weine. Ich weine, ich weine. Ich weine Blei aus meinen Augen und meiner Seele.
Ich weine um alle Menschen, die die Welt verlassen haben. Die ich sterben sah. Die zarten Kinderhände, die ich gehalten habe. Sie haben nicht nur die zerstörten Orte gesehen. Sie haben erschossene Menschen blutig in den Trümmern liegen gesehen. Menschen, die oft ihre eigenen Eltern waren. Und ich konnte sie nur halten, Stunden in meinen Armen wiegen, weil wir Worte noch nicht finden konnten. Aber ich konnte still den Raum geben zum Fühlen. Wo andere sie zum Schweigen zwangen, habe ich einen Seelen-Raum geschaffen, denn wir dürfen alles aus uns herausspülen, was uns auffrisst. Und ganz langsam und in kleinen Portionen darf der Schreck fortziehen. WIR SIND NOCH DA.


Ja, Wir suchen Beständigkeit im Leben.
Und wir erleben Verluste. Wir sehen keinen Halt mehr, wenn alles um uns herum wegbricht. Doch neue Knospen blühen auf. Während wir uns festklammern im Außen, merken wir gar nicht, dass wir selbst es sind, die immer sind.Wir selbst sind Beständigkeit.
Du selbst bist dein Halt. In jedes neue Kapitel, dass sich öffnet, ziehst du mit ein. Mit all dem, was du bist und einmal warst. Aus dir, deinen Geschichten, den Samen, wachsen die neuen Knospen. Sie sind verwurzelt und beständig. Überall, wo etwas stirbt, und Neues wächst, bleiben Erinnerungen zurück. Sie sind wie das Zimt in dem Kuchen, den du traditionell immer backst. Jedes Mal wird er zwar ein bisschen anders, aber dein Zimt, die Erinnerung kennzeichnet das seine.
Zimt stirbt nicht. Das, was Wir sind, stirbt nicht.
Das Feuer in unseren Herzen bleibt beständig. Für die Ukraine, unser Zuhause. Слава Україні, Ehre und Segen der Ukraine.


Hilfsangebote

Zentrum Überleben in Berlin bietet u. a. Hilfe sowie Seminare für Helfer*innen der Katastrophenhilfe. Und für die Zusammenarbeit mit Geflüchteten. #Selfcare https://www.ueberleben.org/allgemein/care-for-caretakers/

Hilfe für Geflüchtete https://www.ueberleben.org/allgemein/bns-fachstelle/

Krisenchat ukrainian hört Kriegsbetroffenen zu und berät in ukrainischer, sowie russischer
Sprache https://krisenchat.de/ukraine

Ukrainisches Haus Dresden: Veranstaltungen und psychologische Betreuung
https://plattform-dresden.de/kalender-2/
Und auch ich bin für offenen Austausch um das Thema Krieg in der Ukraine erreichbar über meinen Instagram-Kanal @soulart_emiliya

Persönliche Danksagung

DANKE AN….

Emilie, Überlebenskünstlerin, eine gute Seele, die als Koordinatorin mit viel Herz alle nötigen Schritte gegangen ist, einem hilfesuchenden Menschen in jeder Lage zu helfen! Denn es gibt mehr Problemlagen, als die Stadt in unserer Arbeit erlaubt hat. Alle Powerübersetzer*innen für ihren unermüdlichen Einsatz! Den amerikanischen Piloten mit ihrem Projekt „Backpacks for kids“, die in ihrer Freizeit die coolsten Rucksäcke für geflüchtete Kinder von Amerika nach Deutschland geflogen haben! Dem ukrainischen Haus in Dresden, das ein wichtiges Begegnungszentrum erschaffen hat, wichtige Aufklärungsarbeit leistet, uns allen Halt gibt und Menschen unterschiedlicher Kulturen (auch mit Fluchterfahrungen zusammenbringt. Danke Maria, einer fantastischen Psychologin aus der Ukraine, eine starke und liebevolle Seele, in der ich eine wahre Seelenfreundin finden durfte, wodurch wir uns auf unserer gegenseitigen Heilungsweg begleiten können! Danke den Sanitater*innen, die mit viel Humor und Fürsorge das Vertrauen der Menschen aufbauen konnten, um sie zu versorgen. Danke Natalia, die mit mir die Musikabende leitete und moderierte und mit ihrer wunderschönen Stimme den Raum zum Leuchten brachte!
Danke an alle wunderbaren Seelen, die in diese schwere Zeit so viel Liebe und Zuversicht und natürlich Aufklärung stecken! Ihr und eure Taten bleibt unvergessen!

Emilie und ich im Ankunftszentrum 2022

*Quellen: https://www.destatis.de/DE/Im-Fokus/Ukraine/Gesellschaft/_inhalt.html

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