(Bildquellen: Rebecca Kluth)
TRIGGERWARNUNG: sexualisierte Gewalt
Mit ungefähr 13 Jahren, hatte ich mein erstes „Burnout“: mein Leben fühlte sich zu voll an, ich war komplett am Ende, überfordert und unglücklich. Seitdem gab es diese Phasen immer wieder. Mit 19 Jahren ist dieses anfängliches “Burnout” zu einer so starken Traurigkeit geworden, dass ich nicht mehr aufstehen wollte. Alles war mir egal und ich wollte einfach nicht mehr. Nicht mehr da sein und vor Allem nicht mehr weiter machen. Nach ein paar Monaten schmiss ich alles hin, kündigte meine Jobs, brach mein Studium ab und zog für eine Weile zu meinem Vater. Einige Zeit später ging es mir dann etwas besser und ich ging nach Köln, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Dieses neue Leben startete allerdings mit zu viel Alkohol, Stress und dem ersten sexuellen Übergriff. …Ein Freund hat bei mir übernachtet und mich nachts überall angefasst, bedrängt …und noch mehr. Aber mein Leben war chaotisch und ich hatte keine Zeit mich damit zu beschäftigen. Ich beließ es also dabei, diesen Menschen einfach zu meiden. Doch leider hat dieser Vorfall ein Verhaltensmuster losgetreten. Ich ließ mich, von Männern, sehr schlecht behandeln. Ich weiß nicht, warum das so ist, oder wann es genau angefangen hat, aber ich hatte eigentlich schon immer das Gefühl, dass ich nicht mitreden darf, wenn es um meinen eigenen Körper geht.
Zwei Monate später, traf ich dann einen Mitstudenten wieder und ging auf ein Date, zu ihm, in seine Wohnung. Dieser Mensch hat mir sehr wehgetan und Dinge mit mir gemacht, die ich hier nicht wiederholen möchte.
Ein solcher Vorfall hat sich mehrfach wiederholt. Ich war so richtig kaputt und wusste nicht, was ich tun sollte.
DANACH…
Ständig kamen Erinnerungen hoch. Bilder, Szenen, Worte. Und ich hatte keine Kontrolle darüber – sie kamen in der Vorlesung, wenn ich betrunken war, wenn mich ein Mann anfasste und manchmal, wenn ich im Bett lag. Das sind Flashbacks. Doch ich habe immer weitergemacht, zu viel gearbeitet und nur gefeiert. Lange konnte ich mich tatsächlich an fast nichts erinnern und immer wieder habe ich gedacht, die Erinnerungen seien nicht echt. Ich würde übertreiben, lügen und irgendwann würde alles “auffliegen”.
Ich bekam Blackouts und es ging mir wieder schlechter. Irgendwann kam Corona und auf einmal, war da so viel Zeit und ich konnte mich nicht mehr ablenken. Ich kann nicht sagen, wann es anfing und wie es passiert ist, aber ich weinte jeden Tag. Alles war sinnlos. Ich hatte das Gefühl, dass ich verschwand und kein richtiger Mensch mehr war.
Deshalb konnte nicht mehr arbeiten, musste meine Wohnung in Köln kündigen und brach mein Studium ab. Weil ich damals Psychologie studiert habe, war es ein furchtbares Gefühl, als „Psychologin“, all das selber zu erleben. Ich fühlte mich, wie eine Versagerin und traute mich nicht, jemandem zu erzählen, was mit mir los war.
Ihr müsst euch ein schlimmes Unwetter vorstellen oder einen Wirbelsturm. So sah es in mir aus- die ganze Zeit. Ich hatte auch Panikattacken, einfach so oder beim Einkaufen. Eine Panikattacke bedeutete: Hyperventilieren, Zittern, Weinen, nichts mehr sehen und nicht mehr sprechen können. Das passierte fast jeden Tag, manchmal sogar mehrmals.
THERAPIE UND KLINIK
Nach ein paar Monaten, ging ich in Therapie. Das hat mich unendlich viel Überwindung gekostet, weil ich manchmal dachte, dass ich mir meine Probleme nur einbilden würde. Seit drei Jahren hatten meine Familie und Freunde auf mich eingeredet, diesen Schritt zu gehen. Und erst, als gar nichts mehr ging, habe ich mich endlich getraut, mir Hilfe zu suchen. Ich merkte schnell, dass es mir half und ich ernst genommen wurde.
Doch meine Probleme waren zu groß. Also verschrieben sie mir Medikamente. Und dann wanderte ich in die erste Klinik. Kurz danach in die Zweite. Dort blieb ich sehr, sehr lange. Ich kam an den Punkt, an dem ich dachte, ich würde wirklich sterben an meinem Schmerz und nicht mehr leben wollte, weil ich dachte, es nicht ertragen zu können, was mit mir passiert.
Ich bin sehr dankbar, dass ich in dieser Zeit in einer Klinik war und meine Therapeutin nicht zugelassen hat, dass ich aufgebe. Sie hat mich bei all dem begleitet und mir bedingungslos zugehört und geholfen.
Die Zeit dort war wahnsinnig hart und anstrengend. Doch habe ich in dieser Zeit, auch wahnsinnig viel gelernt. Mir hat es sehr geholfen, alles loslassen zu dürfen und nur bei mir zu sein. Als einzige Aufgabe zu haben, gesund und aufgefangen zu werden. Ich bin in der Zeit, über mich hinaus gewachsen und habe gelernt, mir selber zu helfen. Nun weiß ich besser wer ich bin, was ich kann und wo ich hin möchte. Ich habe es geschafft, Wege für mich zu finden, mit meinen Schwierigkeiten, so gut es geht, umzugehen.
Mir hat vor Allem geholfen, Musik zu machen und darüber zu schreiben.
VERÄNDERUNG
Nach und nach konnte ich mir ein Leben, außerhalb der Klinik vorstellen. Ich begann Hoffnung zu schöpfen. Im Sommer 2021 habe ich neu angefangen. Seit zwei Jahren habe ich nicht mehr getrunken. Ich wohne jetzt mit meiner besten Freundin zusammen, mache einen Job, der mich begeistert und ich habe ein neues Studium angefangen, was mir sogar gefällt.
Ich gehe noch jede Woche zur Therapie, aber ich schaffe es, meinen Alltag zu meistern und bin oft zufrieden mit meinem Leben. Ich weiß ehrlich nicht, wo ich heute wäre, wenn ich nicht so viel Unterstützung gehabt hätte.
Es ist aber auch wichtig zu sagen, dass Heilung nie geradlinig verläuft. Das Ziel ist es nicht “repariert” zu werden oder zu sein, sondern das zu tun, was man kann, um klarzukommen und sich und sein Leben zu mögen. Das ist eine ständige Arbeit und es gibt leichte und sehr dunkle Tage. Und das ist in Ordnung, normal und vor Allem ist es das wert.
Diese harte Zeit, hat mich stark gemacht, mutig und geduldig.
Ich weiß jetzt, dass ich alles schaffen kann, auch wenn es schwer ist.
Wow! Was für ein mutiger Mensch! Danke dass du deine Geschichte mit uns teilst und somit vielen Menschen hilfst ihren eigenen Mut zu finden.