Meine Emetophobie und ich – Teil 1

Emeto….- bitte was?

Emetophobie ist eine Angststörung, genauer gesagt eine spezifische Phobie, bei der die betroffenen Menschen Angst vor dem Erbrechen haben. Entweder Angst vor dem Erbrechen an sich, also Angst, sich selbst übergeben zu müssen oder dass andere Menschen sich erbrechen müssen. Oder die Angst vor beiden Fällen. Einer von 1000 Menschen erkrankt durchschnittlich an Emetophobie, dabei ist das weibliche Geschlecht wesentlich häufiger betroffen (Metzner 2022).

Laut meiner Eltern musste ich mich nicht öfter übergeben als andere Kinder und ich habe auch nie Ärger bekommen, wenn es doch mal passierte. Woher kommt also die scheinbar unbegründete Angst vor dem Erbrechen, wo sich doch keiner gerne übergibt? Und wo genau war der Anfang meiner Angst? In diesem Beitrag werde ich auf den Beginn meiner Angsterkrankung eingehen und beschreiben, wie sich die Angst anfangs bei mir äußerte.

Wie alles begann

Dass ich Angst vor dem Erbrechen hatte, bemerkte ich, als mein damaliger Partner sich mit einem Virus ansteckte und sich häufig erbrechen musste. Ich bekam meine erste Panikattacke, weil ich Angst hatte, dass ich mich selbst anstecke und übergeben muss.
Zu dem Zeitpunkt, als ich das erste mal still und heimlich die Worte “Angst vor dem Erbrechen” in Google eintippte, war ich schon etwa 21 Jahre alt. Ich redete mit niemandem über meine Angst und hoffte, durch das Internet andere Menschen zu finden, denen es ähnlich erging wie mir. Ich schämte mich damals für die Angst. So sehr, dass ich von meiner Angst, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt in psychologischer Behandlung war, auch meiner Psychologin lange nichts erzählte. Ich versuchte die Angst für mich zu behalten und sprach mit niemandem darüber.

Wie sich die Emetophobie äußerte

Die Emetophobie hat sich bei mir auf verschiedenen Ebenen in unterschiedlichen Situationen gezeigt.

Als die Angst auf ihrem Höhepunkt war und mir mein Leben so richtig schwer machte, habe ich mein Leben komplett eingeschränkt. Wie sehr die Emetophobie über mein Leben entschieden hat, ist mir erst viel später aufgefallen, als ich mich getraut habe, mit meiner Psychologin über die Angst zu sprechen.

Hier sind ein paar Dinge, die mein Leben durch die Emetophobie dauerhaft einschränkten:

– Ich habe nur gegessen, wenn ich meine Hände vorher mit Seife gewaschen und desinfiziert habe – ging das nicht, habe ich nichts gegessen.
– Grundsätzlich habe ich schon fast zwanghaft auf Hygiene geachtet. Dazu gehörten z.B. mehrmaliges Händewaschen sowie desinfizieren, wenn ich nach Hause gekommen bin. Schuhe mussten vor der Tür ausgezogen werden. Ich desinfizierte regelmäßig sämtliche Gegenstände wie Türklinken, Lichtschalter und Oberflächen im Bad sowie in der Küche.
– In mir unbekannten Restaurants habe ich nichts gegessen, aus Angst, dass die Hygiene in der Küche nicht ausreichend und das Essen verdorben war oder dass die kochende Person einen Magen-Darm-Infekt hatte und noch ansteckend war.
– Leicht verderbliche Lebensmittel habe ich gemieden, ebenso Essen, bei dem das Mindesthaltbarkeitsdatum bald überschritten wurde.
– Öffentliche Toiletten, selbst wenn sie sauber waren, haben bei mir immer ein ungutes Gefühl hinterlassen.
– Ich informierte mich genauestens und regelmäßig, wie Erreger, die Magen-Darm Infekte auslösen können, übertragen werden, welche Inkubationszeit diese haben und welche Hygienmaßnahmen nötig sind, um bestimmte Erreger abzutöten.
– Ich litt unter Schlafproblemen. Meine Angst war nachts besonders stark, da ich der Meinung war, dass Magen-Darm-Infekte vorwiegend nachts auftraten.

Besonders problematisch war der Teufelskreis an psychosomatischen Symptomen. Aus Angst vor Übelkeit und eventuell darauffolgenden Erbrechen war mir dauerhaft schlecht. Die Übelkeit verstärkte meine Angst noch mehr. Dadurch nahm ich sehr häufig Vomex, ein Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen, um meine Übelkeit zu unterdrücken. Leider kann Vomex abhängig machen und führte mich noch weiter in den Teufelskreis an psychosomatischen Symptomen.

Besonders schlimm wurde meine Angst durch verschiedene Trigger und endete meistens in einer Panikattacke. Dazu gehörte z.B:

– Jemand übergab sich in meinem Beisein. (Es genügte auch, wenn sich diese Person weit von mir entfernt übergeben musste – allein das Geräusch löste meine Angst aus.)
– Magen-Darm-Infekte traten vermehrt auf und ich bekam dies mit (weil mir davon erzählt wurde, auf der Arbeit Fälle auftraten oder ich in den Nachrichten davon las).
– Jemand hatte Bauchschmerzen oder einer Person war übel.
– Auf einem Gehweg war Erbrochenes oder etwas, das ähnlich aussah.
– Eine Toilette war verschmutzt, die ich benutzen musste. Dabei genügte es schon, wenn Reste von Stuhlgang in der Toilette waren. Wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, habe ich öffentliche Toiletten vermieden.
– In Filmen oder Videos erbrach sich jemand oder ich las in Büchern davon.

Meine Angst hat mein Leben damals stark eingeschränkt und gleichzeitig fiel es mir schwer, über die Angst zu sprechen. Erst, seit ich offener über die Angst sprach, merkte ich, dass ich in der Lage war, die Angst vor dem Erbrechen etwas mehr zu kontrollieren.
In meinem nächsten Artikel werde ich darüber schreiben, was mir im Umgang mit meiner Angst geholfen hat, wie die Ursachenforschung ablief und die Gegenwart aussieht.


Quellen:

https://www.angstselbsthilfe.de/daz.digital/emetophobie/ –

Offen über psychische Erkrankungen reden und darüber, wie das Leben als Angehörige sein kann – für mich war das früher als Teenager nicht möglich. Aber ich wünschte mir schon damals mehr Offenheit zu diesem Thema sowie einen Austausch mit anderen Angehörigen, um zu merken, dass ich nicht alleine bin. Mit meiner Arbeit bei Locating Your Soul möchte ich dazu beitragen, dass es endlich normal wird, über psychische Erkrankungen zu sprechen – oder zu schreiben.

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